Spencer war ein ganz besonderer Kandidat. Als die Anfrage für ein Shooting mit ihm reinkam, war ich sehr gespannt auf ihn und auf das, was mich erwarten würde. Ich hatte keine Ahnung, wie er sich im Studio fühlen würde und ob es überhaupt möglich werden würde, ein ganzes Shooting mit ihm zu machen. Sein Frauchen sagte selbst, dass sie mit 1-2 Fotos bereits zufrieden sein würde. Vorab habe ich sehr viele Infos über diesen besonderen Hund erhalten.
Spencer wird im März 12 Jahre, ist also ein gestandenes Männlein irgendwo zwischen Schäferhund und Spitz. Wie alle meine Neuzugänge kommt er aus Ungarn und hatte bisher kein ganz so schlimmes Leben, wie viele andere, aber toll war es auch nicht. Ich sage immer, dass er eigentlich von Geburt an auf der Verliererseite des Lebens war.
Im Tierheim kannte man ihn eigentlich, seit er ein Welpe war. 2005 ist er zusammen mit seiner Mutter und seinen Wurfgeschwistern in einem Brunnenschacht entsorgt worden und hat als einziger überlebt. Er hat zusehen müssen, wie seine Familie nach und nach ertrunken ist. Das ist – soweit ich weiß – das einzige traumatische Ereignis (reicht aber eigentlich auch). Als Junghund wurde er mal kurz vermittelt und tat als Hof- und Wachhund seinen Dienst, bis er einmal die falsche Person (nämlich die Hausherrin gebissen hatte) und damit wieder im Tierheim landete. Das war mit 3 Jahren. Mit 11 Jahren kam er im letzten Februar am Valentinstag nach Deutschland in eine Pflegefamilie. Allerdings auch nur, weil er in Ungarn eine Lungenentzündung bekam und man befürchtete, dies zusammen mit seinem beträchtlichen Übergewicht und seinen Herzproblemen würde ihn den Winter dort nicht überleben lassen. Da alle der Meinung waren, dass er sowieso nicht mehr so lange auf dieser Welt verweilen würde, hat sich schnell eine Pflegestelle gefunden. Doch dann hat sich der kleine Racker doch glatt wieder bekrabbelt und wurde wieder gesund. Tja, Dinge gibt es!!!!! Auf jeden Fall stellte sich heraus, dass es in der Pflegestelle auf Dauer nicht klappte, da er sich mit den dortigen Hunden nicht verstand und er ähnlich wie im Tierheim isoliert von den anderen gehalten werden musste. Denn auch im Tierheim war er an der Kette gehalten worden, da er manchmal gegenüber anderen Hunden unberechenbar reagierte und man zum Schutz der anderen ihn nicht mit in einen der Zwinger setzte.
Nun, dann kam sein jetztiges Frauchen. Als Susanne 2013/14 ihre J.J. aus dem Tierschutz aussuchte, und beim Durchlesen jeder einzelnen Anzeige auf Spencer stieß, beschloss sie, sich für ihn zu bewerben, sollte eine Rüdenstelle in ihrem Rudel frei werden. So wurde sie auch umgehend kontaktiert, als Spencer, damals noch Pamacs, bzw Veto, wie er auf der Pflegestelle gerufen wurde, von dort weg musste. Das ist nun beinahe ein ganzes Jahr her. Sein Frauchen schreibt:
Er wurde von meinen Mädels vorurteilsfrei und freundlich empfangen, was er ihnen bis heute dankt, indem er immer nur so tut, als wollte er sie beißen.
Spencer ist aufgrund seines Vorlebens ein sehr misstrauischer Hund und hat auch Schwierigkeiten, den Menschen zu lesen. Wenn ihm etwas nicht passt, er schlecht gelaunt oder unsicher ist, zeigt er das auch sehr deutlich, indem er seine Zähne auspackt und einsetzt. Das kann ich jetzt nach vier Beißattacken und mehreren blauen Flecken durchaus bestätigen. Die Mädels wissen es ebenfalls, dass es in solchen Momenten besser ist, nicht in seiner unmittelbaren Nähe zu sein und halten sich dann von ihm fern. Trotzdem hat er es mittlerweile gelernt, mit dem Menschen und mit seinem Rudel zu leben und genießt es auch. Der vorher isoliert lebende Hund kann es jetzt nicht ertragen, wenn er so gar keinen anderen Hund zur Gesellschaft hat und weint dann bitterlich (Und das kann er sehr gut). Meistens ist es dann J.J., die ihm Gesellschaft leistet, während Apple Pie und Bienchen zur Bespaßung unterwegs sind.
Alles in allem ein Hund, der für mich und mein Rudel schon eine Herausforderung darstellt, aber für den es sich auch lohnt, sich einzusetzen. Für das Shooting habe ich daher keine großen Ansprüche. Wenn man von ihm ein oder zwei schöne Fotos hinbekommt, wäre ich schon absolut zufrieden, mehr würde ihn wahrscheinlich auch stressen.
Das Rudel, vor wenigen Wochen noch bestehend aus 5 Hunden, nämlich Scotty, Applepie, J.J., Bienchen und Spencer ( v.r.n.l.) selbst , wurde erst einmal für ein Gruppenbild vor Ort zuhause fotografiert. Scotty ging es auf Grund des Alters leider nicht mehr so gut, als dass wir ihm den Stress zumuten wollten, ihn von Ahlen bis nach Hamm ins Studio zu fahren und in einer ihm neuen Umgebung zu fotografieren. Ebenso J.J., die in neuen Umgebungen unsicher ist, wollten wir den Stress einfach ersparen. Das Gruppenbild hatte für mich eine sehr große Bedeutung, weswegen ich darauf bestanden habe, es zu machen. Leider ist Scotty in der Zwischenzeit auch über die Regenbogenbrücke gegangen. Umso wertvoller ist dieses Foto heute für mich, und für Susanne hoffentlich auch.
Bienchen stand zum Zeitpunkt des Shootings noch zur Vermittlung. Eine wirklich tolle, lustige und sicherlich auch arbeitsfreudige Hündin, über die ich mir weitere, tolle Einzelheiten zu ihrer Persönlichkeit spare, damit sich niemand verliebt, denn: Bienchen hat ihre Endstelle offenbar gefunden! So schön. Bevor wir mit dem Shooting begonnen haben, sind wir mit Spencer in den Garten gegangen und haben vorab ein paar Fotos von ihm gemacht, bevor wir nachher nichts brauchbares kriegen würden, weil keiner von uns sagen konnte, wie das Shooting verlaufen würde. Mit Bienchen sollte alles kein Problem werden, immerhin ist sie offen, sicher, selbstbewusst und hat keine Sorgen, wenn man sie auf den Arm nimmt oder irgendwo draufsetzt oder so. Und dann kam alles ganz anders 😀
Bienchen, die besser den Namen “Hummel” bekommen hätte, wollte einfach nicht stillhalten 🙂 So gar nicht. Leckerchen: Interessant. Spielzeug: Interessant. Geräusche: interessant. Optische Reize: Interessant. Eigentlich gab es nichts, was sie nicht interessant fand und wo sie direkt gucken und erkunden wollte. Also haben wir sie an eine dezente Leine nehmen müssen, um sie einigermaßen an Ort und Stelle halten zu können.
Und dann kam Spencer. Wir waren uns beide nicht sicher, was passieren würde, wenn wir ihn auf die Tische heben, auf denen der Spiegel lag, wo wir ihn so gerne platzieren wollten. Mit dem Risiko, eventuell gebissen zu werden, haben wir es trotzdem versucht, und Spencer hat nicht mal den Versuch gestartet, irgendwas negatives in unsere Richtung zu starten. Er war völlig okay damit, dass wir ihn hochgehoben haben, er fand es extrem gut auf dem Spiegel, auch meine direkte Nähe zu ihm war ihm äußerst willkommen, gab es nämlich regelmäßig Leckerchen.
Er hat sowohl Susanne als auch mich einfach umgehauen. Das Vertrauen, dass er uns entgegengebracht hat, war einfach zu spüren. Es war eine so schöne Erfahrung. Ein Shooting, dass ich nicht mehr vergessen werde.